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01.11.2014

Sanierungspflicht am gemeinschaftlichen Eigentum einer WEG

Führen Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum dazu, dass das Sondereigentum nicht nutzbar ist, muss im Wege der Beschlussfassung umgehend die Sanierung beschlossen werden. Für die Berücksichtigung finanzieller Schwierigkeiten (oder des Alters der Wohnungseigentümer) sei bei der im Rahmen der Beschlussfassung erforderlichen Ermessensentscheidung kein Raum. Eine Verzögerung der Beschlussfassung zur Sanierung führt zum Schadenersatz [BGH, Urteil vom 17.10.2014, V ZR 9/14].

In dem zugrunde liegenden Verfahren bestand die Wohnungseigentümergemeinschaft zunächst aus zwei Einheiten im Erd- und Dachgeschoss eines Hauses. Die Klägerin erwarb die Kellerräume, die von deren Rechtsvorgänger nachträglich ausgebaut worden waren. Diese Räume bilden seit einer Teilungserklärung aus dem Jahr 1996 eine dritte Sondereigentumseinheit. Später kam es dann zur Veräußerung aller drei Sondereigentumseinheiten. Die Beklagten sind die jetzigen Eigentümer der Wohnungen im Erd- und Dachgeschoss. Im Jahr 2002 erwarb die Klägerin die im Keller gelegene Wohnung. In dem notariellen Kaufvertrag wurde zwischen den Parteien der Ausschluss der Sachmängelhaftung vereinbart. Seit dem Jahr 2008 weist die Wohnung einen Feuchtigkeitsschaden auf und ist inzwischen unbewohnbar. Ursache hierfür sind in erster Linie Planungsfehler beim Umbau der Keller- in Wohnräume und damit verbundene Baumängel, die das gemeinschaftliche Eigentum betreffen.

Vor dem Amtsgericht hat die Klägerin erfolgreich die beiden anderen Miteigentümer auf anteilige Aufbringung der Kosten für die Sanierung der Kellergeschosswohnung und (zu diesem Zweck) der Bildung einer Sonderumlage von rund 54.500 Euro in Anspruch genommen sowie Schadensersatz aufgrund der verzögerten Renovierung der Kellergeschosswohnung gefordert. Ferner hat es die Pflicht der Beklagten zum Ersatz künftiger Schäden der Klägerin festgestellt. Dieses Urteil hat das Landgericht aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es war der Ansicht, die Kostenbelastung überschreite die «Opfergrenze» der betagten und finanzschwachen Beklagten, deren Wohneinheiten auch ohne die begehrte Sanierung nutzbar seien.

Der BGH hob das Urteil des LG auf und entschied, dass die Klägerin sowohl die Zustimmung zu der anteiligen Kostentragung als auch zur Bildung der Sonderumlage verlangen könne. Jeder Wohnungseigentümer könne die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums beanspruchen. Allerdings hätten die Wohnungseigentümer insoweit einen Gestaltungsspielraum; sie müssten das Gebot der Wirtschaftlichkeit beachten und im Grundsatz auf die Leistungsfähigkeit der Wohnungseigentümer Rücksicht nehmen. Deshalb seien sie berechtigt, Kosten und Nutzen einer Maßnahme gegeneinander abzuwägen und nicht zwingend erforderliche Maßnahmen gegebenenfalls zurückzustellen.

Dieser grundsätzlich Ermessensspielraum reduziert sich allerdings auf null, wenn – wie hier – die sofortige Instandsetzung zwingend erforderlich ist. Denn infolge der sanierungsbedürftigen Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum sei die Wohnung der Klägerin unbewohnbar. Für die Berücksichtigung finanzieller Schwierigkeiten (oder des Alters) einzelner Wohnungseigentümer sei in solchen Fallkonstellationen kein Raum. Dies liefe der notwendigen Erhaltung von Wohnungseigentumsanlagen zuwider. Zudem müsste die Klägerin die Lasten des Wohnungseigentums tragen, obwohl sie es dauerhaft nicht nutzen könnte. Die Wohnungseigentümer müssten anteilig für die Sanierungskosten aufkommen, selbst wenn sie in erster Linie der Kellergeschosswohnung zugutekomme.

Im Hinblick auf die Schadensersatzansprüche hat der BGH die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Eine Ersatzpflicht der Wohnungseigentümer komme aber für solche Schäden an dem Sondereigentum in Betracht, die dadurch entstanden seien, dass die gebotene Beschlussfassung über die Vornahme zwingend erforderlicher Maßnahmen unterblieben sei. Eine Haftung könne diejenigen Wohnungseigentümer treffen, die schuldhaft entweder untätig geblieben sind oder gegen die erforderliche Maßnahme gestimmt bzw. sich enthalten haben.


Tags: Gemeinschaftseigentum, Mangel am Gemeinschaftseigentum, Sanierungspflicht,

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