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21.11.2013

Alles klar oder doch nicht? - Ergänzende Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments

Eine in der Praxis häufig vorkommende Testamentsform ist nach wie vor das gemeinschaftliche Testament, auch bekannt als Ehegattentestament und im allgemeinen Sprachgebrauch gleichgesetzt mit dem sogenannten „Berliner Testament“. Ein gemeinschaftliches Testament dürfen Verlobte oder Ehegatten/Lebenspartner errichten. In der Regel werden in einem solchen gemeinschaftlichen Testament sich die Ehegatten/Lebenspartner wechselseitig zu Alleinerben einsetzen. Manchmal wird diese letztwillige Verfügung kombiniert mit einer sogenannten Schlusserbeneinsetzung, die regelt, werden Überlebenden beerben soll. Wer allerdings erbt, fehlt es an einer solchen präzise formulierten Schlusserbeneinsetzung?

Das OLG Schleswig hatte sich am 10.06.2013 zum Aktenzeichen 3 Wx 15/13 mit einem Fall zu beschäftigen, in dem sich die Ehegatten gegenseitig als Alleinerben einsetzten und für den Fall, dass sie beide zusammen sterben würden oder der überlebende Teil noch kein neues Testament gemacht habe, den Neffen des Ehemannes zum Alleinerben einsetzten. Beide Erblasser hatten zu diesem Neffen über die Verwandtschaft des Ehemannes hinaus ein sehr freundschaftliches und gutes Verhältnis, ebenso zu seiner Ehefrau; so hatte die Ehefrau Generalvollmacht für beide Erblasser zu Lebzeiten. Neffe und Ehefrau hatten ihrerseits zwei Kinder.

In dem zu entscheidenden Fall verstarb zuerst der Ehemann, danach die Ehefrau. Zum Zeitpunkt des Ablebens der Ehefrau war auch der Neffe des Ehemannes, der als Alleinerbe vorgesehen war, bereits verstorben. Dieser Neffe wiederum war durch seine Ehefrau beerbt worden, die nun die Alleinerbenstellung nach der zuletzt verstorbenen Erblasserin beanspruchte.

Das OLG Schleswig nahm an, dass aufgrund des offensichtlich engen Verhältnisses nicht nur zum Neffen, vielmehr auch zu dessen Ehefrau, welches über das rein verwandtschaftliche Verhältnis hinausgegangen sei, insofern also ein freundschaftliches Näheverhältnis bestanden habe, das Testament ergänzend dahin gehend auszulegen sei, dass nicht die Kinder des Neffen, vielmehr dessen Ehefrau als Ersatzerbe für den Fall seines Vorversterbens berufen wurde, ohne dass dies explizit im Testament niedergeschrieben sei.

Damit setzt diese Entscheidung die seit Jahren herrschende Praxis in der obergerichtlichen Rechtsprechung fort, dass im Wege ergänzender Auslegung lückenhafte Testamente auf Grundlage behaupteter Lebenserfahrung um Ersatzerbeneinsetzungen ergänzt werden. Die Rechtsprechung geht teilweise sogar soweit, fehlt es an einer Regelung nach dem Überlebenden ganz, eine solche hinein zu interpretieren. Diese Praxis führt teilweise zu nicht kalkulierbaren Ergebnissen und sollte jeden Testierenden anhalten, ein vollständiges und damit nicht auslegungsbedürftiges Testament zu erstellen.


Tags: Berliner Testamnet, ergänzende Auslegung,

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